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NIS2 in der Gesundheitsbranche: Cybersecurity als Lebensfrage

Einleitung

Die Digitalisierung hat das Gesundheitswesen revolutioniert: Digitale Patientenakten, vernetzte Medizingeräte und cloudbasierte Verwaltungssysteme sind heute Standard. Doch je stärker Kliniken und Praxen von IT-Systemen abhängen, desto gefährdeter werden sie. In den letzten Jahren haben Cyberangriffe auf Krankenhäuser dramatisch zugenommen – mit teils lebensbedrohlichen Folgen.

2017 legte die WannaCry-Ransomware Dutzende britische Krankenhäuser lahm. In Deutschland waren laut BSI in den vergangenen Jahren mehr als die Hälfte aller großen Kliniken mindestens einmal von einem Cybervorfall betroffen. Besonders eindrücklich: Der Ransomware-Angriff auf die Uniklinik Düsseldorf 2020, der zu Ausfällen in der Notfallversorgung führte und indirekt ein Menschenleben kostete.

Mit der NIS2-Richtlinie reagiert die EU auf diese Bedrohungslage. Krankenhäuser, Kliniken und andere medizinische Einrichtungen sind künftig verpflichtet, ihre Cyber-Resilienz auf ein neues Niveau zu heben – unter klaren gesetzlichen Vorgaben.

Warum NIS2 für das Gesundheitswesen entscheidend ist

Die Attraktivität des Gesundheitssektors für Cyberkriminelle ist leicht erklärt:

  • Patientendaten gehören zu den sensibelsten Informationen überhaupt und sind im Darknet extrem wertvoll.
  • Betriebsausfälle in Kliniken haben unmittelbare Folgen für die Versorgung von Patienten.
  • Abhängigkeit von IT-Systemen bedeutet, dass selbst kleine Störungen enorme Auswirkungen entfalten können.

NIS2 soll hier gegensteuern: Die Richtlinie (EU 2022/2555) trat 2023 in Kraft und wird bis Oktober 2024 in nationales Recht umgesetzt. In Deutschland geschieht dies durch das NIS2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz (NIS2UmsuCG).

Zentrale Verpflichtungen unter NIS2

Gesundheitseinrichtungen müssen künftig umfassende Maßnahmen ergreifen, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden:

  1. Risikomanagement
    Technische und organisatorische Sicherheitsmaßnahmen nach dem Stand der Technik, regelmäßige Risikoanalysen und Dokumentation.
  2. Meldepflichten
    • Erste Meldung eines Vorfalls binnen 24 Stunden
    • Detailbericht innerhalb von 72 Stunden
    • Abschlussbericht nach spätestens 30 Tagen
  3. Nachweispflichten
    Alle drei Jahre müssen Kliniken belegen, dass die geforderten Maßnahmen umgesetzt wurden.
  4. Sanktionen
    Bis zu 10 Millionen Euro oder 2 % des weltweiten Jahresumsatzes. Zudem kann die Geschäftsleitung persönlich haftbar gemacht werden.

Branchenspezifische Bedrohungen

Die Praxis zeigt, wie vielfältig die Risiken sind:

  • Ransomware: Verschlüsselung der Klinik-IT, Stillstand von OP-Systemen, Notaufnahmen müssen abgemeldet werden.
  • Datendiebstahl: Patientendaten werden im Darknet verkauft oder für Erpressung genutzt.
  • Internet of Medical Things (IoMT): Vernetzte Medizingeräte sind oft unsicher und können direkt die Patientenversorgung gefährden.
  • Human Factor: Phishing, schwache Passwörter und unsachgemäße IT-Nutzung öffnen Hackern die Tür.

Reale Vorfälle belegen die Gefahr: 2024 traf ein Ransomware-Angriff den Pathologiedienstleister Synnovis in London, was zu massiven Verzögerungen in der Diagnostik führte und laut NHS zum Tod eines Patienten beitrug.

Branchenspezifische Bedrohungen

Umsetzung in der Praxis: Maßnahmen für Kliniken

Die NIS2-Richtlinie listet zehn Kernmaßnahmen, die Kliniken umsetzen müssen. Dazu gehören:

  • Cyberhygiene & Schulungen: Regelmäßige Awareness-Trainings für Ärzte, Pflegekräfte und Verwaltung.
  • Verschlüsselung: Sensible Daten müssen im Speicher und bei der Übertragung verschlüsselt sein.
  • Zugriffskontrolle: Prinzip „Least Privilege“ und konsequente Multi-Faktor-Authentifizierung.
  • Incident Response: Notfallpläne und Krisenübungen.
  • Business Continuity: Backups und Wiederanlaufpläne für kritische Systeme.
  • Lieferkettensicherheit: Dienstleister und Hersteller von Medizintechnik müssen überprüft und vertraglich verpflichtet werden.

Schritt-für-Schritt-Plan

  1. Bestandsaufnahme der IT-Systeme und Daten.
  2. Risikobewertung nach NIS2-Kriterien.
  3. Maßnahmenplanung mit Priorisierung der größten Lücken.
  4. Schulung & Einbindung aller Mitarbeitenden.
  5. Kontinuierliche Verbesserung durch Monitoring und Audits.

Typische Herausforderungen

Viele Kliniken stoßen bei der Umsetzung an Grenzen:

  • Fachkräftemangel in der IT-Abteilung
  • Budgetrestriktionen im Klinikalltag
  • Veraltete Systeme und Legacy-Software
  • Integration von Medizingeräten, die nicht einfach gepatcht werden können
  • Widerstände gegen Veränderungen im stressigen Klinikbetrieb

Hier helfen pragmatische Lösungen: Netzsegmentierung für unsichere Geräte, Fördermittel nutzen, externe Dienstleister einbinden.

Herausforderungen

Vorteile einer erfolgreichen Umsetzung

Eine NIS2-konforme IT-Sicherheitsstrategie bringt nicht nur Rechtssicherheit, sondern klare Mehrwerte:

  • Patientensicherheit: Minimierung von Risiken durch Ausfälle oder Manipulation.
  • Betriebsstabilität: Kliniken bleiben auch bei Angriffen handlungsfähig.
  • Datenschutz: Schutz sensibler Patienteninformationen.
  • Wirtschaftlichkeit: Prävention ist günstiger als Schadensbegrenzung.
  • Vertrauensgewinn: Patienten, Partner und Behörden sehen NIS2-Compliance als Qualitätsmerkmal.
Vorteile einer erfolgreichen Umsetzung

Fazit

Cybersecurity ist im Gesundheitswesen längst mehr als ein IT-Thema – sie entscheidet über das Wohl von Patienten. Die NIS2-Richtlinie zwingt Kliniken und Gesundheitseinrichtungen, ihre Resilienz auf ein neues Niveau zu heben.