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Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) im Kontext generativer künstlicher Intelligenz – eine experimentelle Untersuchung möglicher Missbrauchsmöglichkeiten und ihre dogmatischen Implikationen

Der vorliegende Artikel behandelt die Problematik von missbräuchlichen Whistleblower-Meldungen, die mithilfe künstlicher Intelligenz generiert werden können. Dieser Sachverhalt wird auf der Grundlage des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) sowie des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes (LkSG) experimentell untersucht.

Whistleblowing ist ein wichtiger Bestandteil, wenn es um die Offenbarung und Aufdeckung von Missständen und Straftaten in einem Unternehmen geht. Dank Gesetzen wie dem LkSG und HinSchG kann den vermeintlichen Whistleblowern einerseits Schutz vor einer Enttarnung und den Unternehmen anderseits Anreize für eine rechtskonforme Geschäftstätigkeit geboten werden. Jedoch können sowohl das LkSG als auch das HinSchG ebenfalls für missbräuchliche Meldungen genutzt werden. Die Gefahr nimmt dann zu, wenn man die Fähigkeiten von KI-Systemen für böswillige Handlungen in Betracht zieht. KI-Systeme können eine grosse Anzahl an falschen Anschuldigungen gegen Unternehmen generieren und somit als falsche Whistleblower fungieren. Dies bedeutet einen immensen Aufwand auf Seiten des Unternehmens und kann unter Umständen einen dauerhaften Imageschaden für das Unternehmen mit sich bringen.

Im Artikel gibt sich der Autor als hypothetischen Täter aus. Er befasst sich damit, wie man mehrere frei erfundene sowie anonymisierte Beschwerden erstellt. Innerhalb eines realitätsnahen Experimentes versucht der Autor, durch verschiedene an das KI-System gerichtete Fragestellungen an die notwendigen Informationen und Vorgehensweisen heranzukommen. Dabei legt der Autor Wert darauf, dass die Beschwerden variieren und keine Muster erkennbar sind. Im Vordergrund des Experiments steht die Interaktion mit der KI, welche sich in verschiedenen Fragestellungen für diverse Szenarien widerspiegeln. Der Autor will beispielsweise eruieren, wie eine Beschwerde zwar ohne Beweise eingereicht werden kann, diese dennoch dermassen echt aussieht, dass sie vom Unternehmen ernstgenommen werden muss. Die KI liefert auf die Fragestellung eine optimale Antwort, welche mit dem Willen zu einer falschen Anschuldigung von der Täterschaft unmittelbar genutzt werden könnte. Der Artikel gibt zu verstehen, dass auch Laien ohne fundierte IT-Kenntnisse die Fähigkeit haben, solche Beschwerden in Massen zu generieren. Bestehende Lösungsansätze sind zurzeit mit erheblichen Nachteilen verbunden. Eine vermeintliche Lösung wäre eine Prüfung von Meldungen auf einen allfälligen missbräuchlichen Ursprung. Liegt eine hohe Anzahl an Meldungen vor, nimmt die Genauigkeit bei der Überprüfung ab. Die direkte Folge davon wäre, dass gerechtfertigte Meldungen in der Masse untergehen und nur mit einer geringen Genauigkeit geprüft werden würden.

Zum Autor: Geschrieben wurde der Artikel von Dr. iur. Dr. rer. pol. Fabian Teichmann, LL.M. und wurde im August 2023 in der NZWiSt publiziert. Fabian Teichmann ist als Rechtsanwalt in der Schweiz tätig und ist Managing Partner der Teichmann International (Schweiz) AG. Zusätzlich ist er öffentlicher Notar in St. Gallen und Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland.